Schlagen Frauenherzen anders als Männerherzen?
Ist Frauenmedizin mehr als Gynäkologie und Bikini-Zonen-Medizin?
Sind Dosis, Wirkung und Nebenwirkungen von Medikamenten für Frauen und Männer gleich?
Welche Rolle spielen Psyche, Hormone und soziale Kontakte gesundheitlich für beide Geschlechter?
Mag. Aline Halhuber-Ahlmann, Geschäftsführerin des Salzburger Frauengesundheitszentrums, beantwortete an unserem Clubabend im März diese Fragen. Mit ihr erlebten wir das eine oder andere Aha-Erlebnis, was die Unterschiede der Medizin für Frauen und Männer betrifft.
Bereits am Beginn definierte sie den Unterschied zwischen Sex und Gender. „Sex haben wir zwischen den Beinen und Gender zwischen den Ohren – nämlich im Gehirn“ ist ihre Lieblingsdefinition, wenn es darum geht, das biologische Geschlecht (Sex) vom sozialen Geschlecht (Gender) zu unterscheiden. Gynäkologie und Urologie beschäftigen sich z.B. vorwiegend mit geschlechterspezifischen Erkrankungen von Mann und Frau. Aufgabe der Gendermedizin hingegen ist es, neben der Biologie auch auf die Unterschiede im sozialen Verhalten und Lebenszusammenhängen von Mann und Frau zu schauen. „Frauengesundheit entsteht dann, wenn man als Frau und Mädchen leben, lieben, arbeiten und sich entwickeln kann“, fasst Mag. Aline Halhuber-Ahlmann zusammen.



Gendermedizin: Warum das Geschlecht in der Medizin zählen soll
Männer und Frauen haben nicht nur unterschiedliche Körper, sondern auch unterschiedliche Gesundheitsrisiken, Symptome und Behandlungsvoraussetzungen. Doch in der medizinischen Forschung und Praxis wird das oft noch nicht ausreichend berücksichtigt. Der Mann galt lange Zeit als Norm. Bestimmte Medikamente zum Beispiel werden meist nur an männlichen Probanden getestet, wirken aber unterschiedlich. Krankheiten wie Herzinfarkte werden bei Mann und Frau noch immer gleich behandelt. äußern sich aber sowohl in Vorzeichen als auch in den tatsächlichen Symptomen unterschiedlich. Das Wissen darüber ist aber noch immer nicht überall in der medizinischen Realität angekommen.
Frauen und Männer erleben Krankheiten oft unterschiedlich
Ein gutes Beispiel dafür ist der Herzinfarkt. Während Männer oft mit den klassischen Brustschmerzen in die Notaufnahme kommen, äußert sich der Infarkt bei Frauen eher durch Übelkeit, Müdigkeit oder Rückenschmerzen – Symptome, die oft nicht ernst genommen werden. Das hat direkte Folgen: Frauen erhalten im Notfall seltener einen Rettungshubschrauber oder eine schnelle medizinische Versorgung.
Oder Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder Rheuma treten häufiger bei Frauen als bei Männern auf. Ein Grund dafür ist das weibliche Immunsystem, das in der Lage ist, körperfremdes Sperma zu akzeptieren – eine Fähigkeit, die manchmal zu zunächst unerklärlichen Fehlsteuerungen im Frauenkörper führt und Krankheiten auslöst.
Medikamente: Getestet an Männern, eingenommen von Frauen
Etwa 75 % aller Medikamente werden von Frauen eingenommen, doch die meisten medizinischen Tests werden an männlichen Mäusen durchgeführt. Das führt dazu, dass Dosierungen für Frauen oft nicht optimal sind. So benötigen Frauen beispielsweise eine höhere Dosis an Schmerzmitteln wie NSAR (Nichtsteroidale Antirheumatika) während sie auf Schmerzmittel wie Opioide nach Operationen empfindlicher reagieren und häufiger unter Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen leiden.
Frauen und ihr Körperbild: Zwischen Selbstzweifel und Akzeptanz
Ein weiteres wichtiges Thema der Frauengesundheit ist das Selbstbild. Die Medien setzen Frauen einem Dauerfeuer an Schönheitsidealen aus, was zu Unsicherheiten, Essstörungen und psychischen Belastungen führen kann. Besonders betroffen sind dabei klassische „Problemzonen“ wie Bauch, Beine, Po, Hüften oder Brüste. Doch was wäre, wenn wir Schönheit anders definieren würden? „Schönheit ist, was mit Liebe betrachtet wird“, sagte einst Christian Morgenstern – eine Perspektive, die mehr Akzeptanz und Selbstliebe fördern könnte.
Psychische Gesundheit und die unterschiedlichen Symptome
Nicht nur körperlich, auch psychisch unterscheiden sich Frauen und Männer. Während bei Frauen Herzinfarkte oft übersehen werden, bleiben bei Männern Depressionen häufig unerkannt. Männer neigen eher zu Selbstisolation, Alkoholmissbrauch und Gewalt, während Frauen sich häufiger soziale Unterstützung suchen. Selbstmord ist bei Männern viermal so häufig wie bei Frauen – ein alarmierendes Zeichen, das zeigt, wie dringend wir über geschlechtsspezifische Gesundheitsversorgung sprechen sollten.
Fazit: Mehr Wissen, mehr Selbstbestimmung
Frauengesundheit ist weit mehr als Gynäkologie oder Bikini-Zonen-Erkrankungen. Es geht darum, den weiblichen Körper besser zu verstehen, medizinische Forschung anzupassen und gesellschaftliche Tabus zu brechen. Frauen sollten sich ermächtigt fühlen, ihre Gesundheit aktiv zu gestalten – sei es durch gute Informationen, soziale Netzwerke oder eine kritische Haltung gegenüber Gesundheitsnormen und Behandlungen oder Medikamenten.
Denn am Ende zählt nicht nur ein langes, sondern vor allem ein gesundes und erfülltes Leben. Für Mann und Frau.

Vielen Dank an Frau Mag. Halhuber-Ahlmann für den interessanten Vortrag zu den unterschiedlichen Aspekten der Medizin für Frau und Mann.
Bild: (li) Veronika Huber, Präsidentin SI Club Papagena mit Mag. Aline Halhuber-Ahlmann, Geschäftsführerin des Frauengesundheitszentrums Salzburg. www.fgz-salzburg.at.

Fotocredits:
Titel: Marek Studzinski auf Unsplash Fotos
Frauenfigur: Frauengesundheitszentrum Salzburg
Weitere Fotos: Soroptimist Club Salzburg Papagena